Archiv-Kuriosa
Neuenhagener Steuer-Problem anno 1927
In diesem im Gemeinde-Archiv erhaltenen Dokument vom 4. April 1927 legt der Inhaber des Konzert-Cafés und Restaurants an der Königs-Allee (heute Hauptstraße 41) Einspruch gegen die von der Gemeinde veranlagte "Lustbarkeitssteuer" für das in seinen Räumen befindliche "Instrument" ein. Herr Adolf Tietz dringt auf völlige Steuerbefreiung, weil "der alte Kasten" fast abgeschrieben und reparaturbedürftig sei. Die Antwort des Gemeindevorstands steht auf der Rückseite des Schreibens: "Zu Ihrem Antrage um Befreiung von der Instrumentensteuer für den Klavierspielapparat ist noch die Bescheinigung eines Sachverständigen über den heutigen Verkaufswert des Apparates beizubringen." Und tatsächlich findet sich auch die Erklärung eines Klavierstimmers vom 29. April, "daß das selbstspielende Piano ... einen jetzigen Verkaufswert von 450 M hat". Daraufhin wird der Apparat laut Vermerk vom 3. Mai „nach einem Wert von 500 RM versteuert“.
Im selben Archiv-Ordner sind noch weitere Einsprüche von Neuenhagener Gastwirten gegen die neu aufgekommene Lustbarkeitssteuer erhalten, die nach der Größe der Schankräume und dem Vorhandensein von "Musik- oder Geschicklichkeitsapparaten" berechnet wurde. Angegeben sind solche "Geschicklichkeitsapparate" wie Kegelspiel, Russisches Billard, Fußballspiel und Lochbillard. Als "Musikapparate" werden Radioapparat, Elektrisches Klavier und Nadelspielapparat (Schallplattenspieler) erwähnt.
Wer wissen möchte, was man sich unter einem "Klavierspielapparat" vorzustellen hat, erhält hier Aufklärung: "Beim erst ab 1905 von M. Welte & Söhne, später auch von anderen Herstellern produzierten Reproduktionsklavier werden Musikstücke von mehr oder weniger berühmten Pianisten auf speziellen Aufnahmeapparaten live aufgenommen. Diese Musikstücke werden einschließlich der Anschlagstärke - der Dynamik - weitestgehend originalgetreu wiedergegeben. Die Stanzungen wurden pneumatisch abgetastet und in mechanische Bewegungen der Klavierhämmer umgesetzt. Jedem Klavierton ist in der Notenrolle eine Lochspur zugeordnet, weitere Spuren enthalten Informationen für die automatische Betätigung der Pedale und der Anschlagstärke. ... Danach konnte diese Rolle gestanzt werden. Sie diente dann als Kopiermuster bei der Herstellung der Notenrollen. Diese Noten- oder Klavierrollen sind auswechselbar und waren im Musikalienhandel zu kaufen." (Quelle: http://www.welte-mignon.de/wiki/was_ist_ein_pianolist)
Dort wird wohl auch der Gastwirt Tietz aus Neuenhagen für jedes einzelne Musikstück, das in seinem Etablissement erklingen sollte, eine solche Rolle erworben haben.
Musik und Theater nach dem 2. Weltkrieg
Am 24. Februar 1946 wurde in Neuenhagen das Theaterstück "Jugend" aufgeführt. Weitere Angaben dazu fanden sich im Gemeinde-Archiv bisher nicht, aber über andere erstaunliche kulturelle Aktivitäten in der Nachkriegszeit verraten handschriftliche Einnahmen-Ausgaben-Übersichten und Mitgliederlisten mehr.
Im Herbst 1945 hatten sich demnach 147 Neuenhagener und Hoppegartener Interessenten zur "Kunstgemeinde der Stadt Hoppegarten" zusammengetan (analog zum sowjetischen Kommandanturbereich bildeten damals Ahrensfelde, Birkenstein, Dahlwitz, Eiche, Hönow, Hoppegarten, Mehrow, Münchehofe, Neuenhagen, Seeberg und Waldesruh die Stadt Hoppegarten). Zu deren Mitgliedern gehörte auch der in Neuenhagen lebende Kammersänger Martin Abendroth, der von 1927 bis 1931 an der Berliner Krolloper engagiert war und viele Jahre als Gesangspädagoge in Berlin wirkte (im web gibt es sogar eine Aufnahme von ihm als Sarastro).
Die Kunstgemeinde organisierte kurz nach Kriegsende diese Veranstaltungen:
- Heine-Abend am 05.10.1945 mit 272 Besuchern
- Volkslieder-Abend am 30.11.1945 mit 231 Zuhörern. Beide Liederabende wurden gestaltet durch den schon erwähnten Bassbariton Martin Abendroth und weitere Mitwirkende.
- 2 Theateraufführungen "Das tausendjährige Reich" am 09.12.1945 vor 425 Zuschauern
- 2 Theateraufführungen "Gerichtstag" am 20./25.01.1946 durch Schauspieler des Deutschen Theaters vor 659 zahlenden Zuschauern
- Theateraufführung "Jugend" am 24.02.1946
- 4 Vorstellungen der Märchenbühne "Firlefanz" am 19./20.06.1946 vor 950 Kindern der Alten und der Neuen Volksschule Neuenhagen (heutige ARCHE und Goethe-Grundschule) und der Volksschule Dahlwitz
- 2 Vorstellungen des Zauberkünstlers "Marvelli" am 08.12.1946 vor 571 Besuchern
Auch die entstandenen Kostenpositionen wie Kulissentransport, Klaviertransport und -stimmung, Honorare, Essen für die Mitwirkenden, Druck- und Fahrkosten, Saalmiete, Stagma-Autorengebühren (heute GEMA) sind aufgeführt, leider nicht die Veranstaltungsorte. Das Volkshaus an der Stelle des jetzigen Bürgerhauses stand dafür erst nach dem 20. Oktober 1946 zur Verfügung, als es anlässlich der ersten Landtagswahlen in der sowjetischen Besatzungszone wiedereröffnet wurde.
Neuenhagener "Vergnügen" anno 1896
Neuenhagen, 17. Februar 1896
Euer Hochwohlgeboren
erlaubt sich der ganz gehorsamst unterzeichnete Gesangverein "FrohSinn" anzuzeigen daß wir am 1. März d. Jahres ein Vergnügen im Vereinslokale feiern möchten. Und bitten daher den Herrn Amtsvorsteher um das Geneigte
der Vorstand des Gesangvereins „Frohsinn“ gez. Friedrich Kolberg
Herrn
Amtsvorsteher Dotti
Hochwohlgeboren
Neuenhagen Ostbahn
Dieses ehrerbietig in gestochener Kurrentschrift mit Feder und Tinte abgefasste Schreiben an den Amtsvorsteher der bis 1927 als "Neuenhagen Ostbahn" bezeichneten Gemeinde ist typisch für den „Antragsstil“ der Zeit. Meist finden sich auf diesen Schriftstücken auch gleich die Verfügungen des Amtsvorstehers zur Genehmigung oder Ablehnung des Gesuches, Anweisungen für den Gendarmen usw., hier ausnahmsweise nicht. Im Archiv-Ordner „Erlaubnis für Lustbarkeiten“ sind 27 solcher Anfragen aus dem Jahr 1896 erfasst. Für das Jahr 1929, Neuenhagen hat mittlerweile rund 3.400 Einwohner mehr, liegen dann schon unzählige Anträge vor, vielfach gestellt von Gastwirten zur Durchführung von „Vergnügen“, „Tanzlustbarkeiten“, Unterhaltungsmusik und privaten Festlichkeiten. Schausteller ersuchen um Genehmigung zur Inbetriebnahme von Karussells, Schießhallen, Schießbuden, Luftschaukeln, eines „Tischrades“ (Glücksrad), für den Verkauf von Speiseeis oder „Vorführungen dressierter Tiere und gymnastischer Vorstellungen“. Vereine wollen „Tanzkränzchen“, Konzerte, Gesangs- und Schützenfeste ausrichten, Parteien Versammlungen anmelden. Die oftmals gewünschte Verlängerung der Polizeistunde von 10 Uhr abends auf 4 Uhr nachts wird nicht immer erlaubt und der „berittene Gendarm“ oder der „Gendarm zu Fuss“ hat die Einhaltung der festgesetzten Schließzeit am Veranstaltungstag zu kontrollieren.
Der „ganz gehorsamst unterzeichnete Gesangverein“ sorgt 125 Jahre später noch immer für „Vergnügen“ in unserer Gemeinde als Männerchor „Frohsinn“!
Tanzlustbarkeit anno 1876 in Neuenhagen
Neuenhagen, den 28. März 1876
Der Amts-Vorsteher des Amtsbezirks Neuenhagen
1. Dem Gastwirt Wolter hier ist heute die Erlaubnis ertheilt worden
am Sonntag, den 2. April bis nachts 12 Uhr Tanzmusik halten zu dürfen.
2. Bemerk an den Herrn Gendarm Gericke zu Altlandsberg
zur gefälligen Kenntnisnahme und mit dem Ersuchen,
die polizeiliche Aufsichtsführung über die Tanzlustbarkeit zu übernehmen.
Eine Verlängerung der Tanzmusik über die diesseits genehmigte Zeit
darf unter keinen Umständen bewilligt werden.
Der Amtsvorsteher
Buchholtz
Kenntniß genommen
Gericke
Gendarm